10.04.16 | 21:45 Uhr
Streit um Erdogan-Kritik - Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?
Erst löst ein "extra-3"-Satirebeitrag über Erdogan eine diplomatische Krise aus. Nun fordert die türkische Regierung eine Strafverfolgung des Satirikers Böhmermann wegen seines Erdogan-Schmähgedichts.Eigentlich wollte ich mir die Sendung gar nicht antun. Als ich aber Serdar Somuncu gleich am Anfang der Sendung hörte, sah ich mir sie doch noch an. Und allein wegen Serdar Somuncu hat es sich gelohnt. Dieser Mann weiß, von was die Rede ist.
Und bis dato 1068 Kommentare im Forum sprechen auch für sich:
http://daserste.ndr.de/annewill/archiv/Streit-um-Erdogan-Kritik-Kuscht-die-Bundesregierung-vor-der-Tuerkei,diskussionerdogan100.html
Man kann sicher immer über Geschmack streiten. Aber wer Jan Böhmermann richtig verstanden hat weiß, dass es ihm bei „diesem Gedicht“ weder um ein literarisches Kunstwerk, noch um „das Gedicht“ an sich ging.
Was er bezweckte, ging ganz genau auf. Und worum es tatsächlich geht, kann man hier:
http://www.testspiel.de/schmaehkritik-ein-gedicht-von-jan-boehmermann-fuer-erdoan/313593/
nochmals nachhören.
Deutlich zu machen, wie verlogen das ganze Gerede um Freiheit, Demokratie, Recht und Gesetz derer ist, die den Anspruch verkünden, dass sie genau für diese Werte alle Menschen betreffend eintreten und sich deshalb zum primus inter pares [[ Ein primus inter pares (lateinisch für „Erster unter Gleichen“, weiblich prima inter pares) ist ein Mitglied einer Gruppe, das dieselben Rechte innehat wie alle anderen auch, aber trotzdem eine erhöhte Ehrenstellung genießt. Diese Stellung hat meist repräsentativen Charakter und ist mit keinerlei Privilegien verbunden. ]] in ihren Ländern wählen ließen.
Denn was genau hat Böhmermann getan? Er hat die Bundesregierung und Angela Merkel mit „diesem Gedicht“ unter Druck gesetzt. Weil die Reaktion der Türkei und Erdogan genau so zu erwarten war. Und „Verlierer“ dieses Streits ist nicht Jan Böhmermann. Sondern verlieren kann dabei nur die Bundesregierung und Angela Merkel. Und er hat es sogar sehr klug gemacht. Er hat in der Sendung nämlich gesagt, dass er „ein Gedicht“ vortragen würde, um deutlich zu machen, was in Deutschland verboten sei! Wer der Verfasser dieses „Gedichtes“ ist, geht in der umstrittenen Sendung nicht eindeutig hervor. Es könnte sich ja um die Zusendung eines anonymen „Dichters“ handeln! Ein Copyright, eine Urheberrechtsaussage wurde ja nicht getroffen!
Er hat also nur deutlich gemacht, dass „wir“ ein Problem mit „Auslegungen“ haben.
Da ist zum einen unser GG Art. 5! Zum anderen gibt es da aber auch den § 103 StGB!
Es bleibt abzuwarten, was sich aus dieser ganzen Angelegenheit tatsächlich noch entwickelt. Man darf gespannt sein.
Damit hat Satire einmal mehr dafür gesorgt, dass die Demokratie, die Freiheit – auch in der Bundesrepublik - hinterfragt werden kann!
PS: "das Gedicht" halte ich persönlich allerdings auch für mehr als primitiv! Aber es hat seinen eigentlichen Zweck voll und ganz erfüllt!
11 Kommentare:
Sehr geehrter Herr Kroiß.
Herr Böhmermann darf zweifelsfrei eine Satire über die Türkei und ihr Oberhaupt, Herrn Erdogan machen und im Fernsehen ausstrahlen. Er darf dabei auch überzeichnen. Das Gedicht ist in meinen Augen jedoch wirklich ein Schmähartikel, egal wie und in welcher Art es dargeboten wird. Es ist auch mehr als Geschmacklos, es ist Beleidigend!
Man stelle sich nur einmal vor, ein türkischer Satiriker würde ein äquivalentes Gedicht über unsere Bundeskanzlerin schreiben. Solch ein Gedicht würden, ja müssten wir uns verbitten und den betreffenden zur Zurücknahme und Widerruf gerichtlich auffordern nebst Bestrafung für dieses Pamphlet.
Nur würde sich dabei herausstellen, dass wir Deutschen in der Mehrheit, unsere Bundesregierung und unsere Kanzlerin im Besonderen, „keine Eier in der Hose“ hätte, dies nicht nur zu fordern, sondern auch durchzusetzen oder entsprechende Konsequenzen einzuleiten. Im Gegensatz zu uns, haben dies aber die Türken und Erdogan. Das werden wir in diesem Zusammenhang noch merken.
Und da Frau Merkel dies weiß, ist eine Reaktion für sie sehr schwer. Wenn sie sich entschließt, dem Ersuch der türkischen Regierung nach § 103 der Einleitung eines Strafprozesses zuzustimmen, begibt sie sich auf ein schwieriges Gebiet. Einmal ist nicht sicher, wie das Urteil ausfällt und sollte der Richterspruch lauten, diese Sendung wäre mit unserem Recht auf freie Meinungsäußerung und einer satirischen Sendung gedeckt, würde der Frust bei Erdogan größer sein als jetzt.
Würde aber Herr Böhmermann verurteilt, wäre in Deutschland mit vielfältigsten Protesten, vor allen Dingen der Medien, zu rechnen. Das würde die Stimmung für die Kanzlerin und die Bundestagswahl im nächsten Jahr enorm drücken. Aber auch die Stimmung würde gedrückt werden, wenn Herr Erdogan die syrischen Flüchtlinge nicht mehr zurückhält und auch keine mehr zurücknimmt.
Wie sie auch schon schrieben und anderweitig zu hören und zu lesen war, die Bundesregierung sitzt in der Klemme. Wie sie sich auch entscheidet, es dürfte keine gute Zukunft werden. So oder so, dank Herrn Böhmermann.
Dabei hat er natürlich mit seiner Sendung klargemacht, in welche Abhängigkeit sich Frau Merkel manövriert hat. Es war am Benehmen des Herrn Erdogan ja im Vorfeld schon festzumachen, dass er sich als starker Mann gibt, der nicht gewillt ist, auf irgendjemand Rücksicht zu nehmen. Er will nach eigenem Gutdünken handeln und Frau Merkel hat ihn wegen ihrer Politikrichtung dazu gebracht, sich nicht nur als größten zu halten, sondern auch so aufzuspielen. Widerwärtig!
Teil II
So gesehen, war diese Sendung doch notwendig. Man sollte in dieser Hinsicht jedoch auch bedenken, dass es für solche „Vergehen“ und ihre Duldung, früher Kriege geführt wurden! Was wird heute daraus?
Wenn man es richtig bedenkt, hat Herr Böhmermann mit seiner Satiresendung nicht nur Herrn Erdogan beleidigt, sondern auch die Bundeskanzlerin und die Bundesregierung vorgeführt, was sie in der Flüchtlingskrise für einen politischen Weg eingeschlagen hat, um diese zu lösen. Einen Weg, der sagt, wir helfen allen Menschen in Not, es gibt dafür keine Obergrenze, aber wir machen Verträge mit einem „starken Mann“, der sich um die Rechte und die Not der Flüchtlinge nicht schert, sie uns aber vom Leibe hält. Dafür bezahlen wir ihn fürstlich, statt dafür gesorgt zu haben, dass der UNHCR mit weniger Entlohnung für menschlicheres gesorgt hätte.
Diese Verlogenheit wird nun richtigerweise mehr unters deutsche Volk gebracht werden, weil diese Sendungsaktion eine Reaktion zeitigte, worauf eine entsprechende weitere Reaktion folgt und dieser eine Weitere und so fort. Wir werden dieses Thema, egal wie es weitergeht, nicht so schnell mehr los. Und es wird auf unser aller Leben einen zukünftigen Einfluss haben. Wie der aussieht, mag die Zukunft zeigen.
Aber es wird jetzt in diesem Zusammenhang viel mehr darüber gesprochen, warum Herr Erdogan sich so darstellt und meint darstellen und fordern zu können, was die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin damit zu tun hat. Es kann nicht mehr so leise weinend als über die EU so geregelt dargestellt werden. Klarheit, Erkenntnis bei vielen, dass bisher nur schone menschliche Worte gefallen sind, aber hintenherum an der Beseitigung des menschlichen gearbeitet wurde (und bestimmt noch weiter wird).
Mit freundlichen Grüßen
Walter Neumann
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